Ökologische Baubegleitung und Renaturierung
Wo gehobelt wird, fallen Späne und wo gebaut wird, bewegt sich Erde. Um Bauarbeiten aber mit möglichst minimalen Auswirkungen für Fauna und Flora zu gestalten, begleitet die Ökologische Bauaufsicht seit vielen Jahren die Projekte am Kitzsteinhorn. Biologe Martin Kyek vom Institut für Ökologie und Spezialist für Reptilien und Amphibien nimmt uns mit zu einem Blick hinter die Kulissen der Renaturierungsmaßnahmen nach dem Bau der 3K K-onnection aufs Kitzsteinhorn.
„Naturschutz war schon immer mein großes Anliegen, und besonders die Frösche haben es mir eigentlich schon von klein auf angetan“, tönt es im tiefen Bass hinter dem weißen Vollbart hervor. Ein Schmunzeln lässt die Augen des großen Mannes aufleuchten, ein massiger Rucksack lugt über die Schultern und links und rechts vom Körper baumeln Kameras mit langen Teleobjektiven. Das ist Martin Kyek, Mitarbeiter des Instituts für Ökologie und langjähriger Wegbegleiter der Bauprojekte am Kitzsteinhorn. Den Pinzgau zwischen Hollersbach und Kaprun kennt er wie seine Westentasche, hat er dort schon während des Studiums der Zoologie in Salzburg für den Amphibienschutz unter anderem Froschlaichplätze kartiert und in Datenbanken erfasst.
Gemütlich gondeln wir mit der MK Maiskogelbahn nach oben und Martin Kyek erzählt über seine Partnerschaft mit dem Kitzsteinhorn: „Seit den 1990er Jahren wird das Institut für Ökologie – damals noch dem Haus der Natur untergliedert, heute ein eigenständiges technisches Büro – zur Begleitung von Liftbauten und Pisteneingriffen von Direktor Norbert Karlsböck mit ins Boot geholt. Gemeinsam mit dem Projekt-Team werden nachhaltige, zukunftsorientiere, ökologische Lösungen erarbeitet, die die Auswirkungen der baulichen Eingriffe auf ein Minimum reduzieren sollen.“ Die in Österreich verpflichtende ökologische Baubegleitung kontrolliert als verlängerter Arm der Naturschutzbehörde, ob die in der Bewilligung auferlegten Maßnahmen auch gesetzes- und bescheidkonform umgesetzt werden.
Frösche & Schlangen sammeln
Der bislang letzte Meilenstein in der Zusammenarbeit war das Generationenprojekt MK + 3K K-onnection. Durch umfangreiche Bauarbeiten, insbesondere im Bereich der Stationen und Stützen, galt es, dort lebende Amphibien abzusiedeln. An der MK Maiskogelbahn Bergstation angekommen wandern wir hinauf zum ersten Laichgewässer, und Martin erzählt: „Grasfrösche, Bergmolche, Bergeidechsen, Kreuzottern und Blindschleichen bewegen sich landgebunden. Sie können nicht einfach wie Vögel abheben und auf die andere Talseite fliegen. Daher haben wir noch vor dem Spatenstich die Amphibien und Reptilien mit speziellen Fangzäunen, Fangeimern und Schlangenblechen abgesammelt und temporär in nahegelegenen Lebensräumen angesiedelt. Im Zuge des Baus wurden dann spezielle Laichgewässer errichtet, um den Lebensraum der Tiere wiederherzustellen und sogar zu verbessern.“
Als Projektbegleiter stehe ich auf Seite der Natur!“
Nach Beendigung der Bauarbeiten werden Böschungen wieder artgerecht gestaltet und mit Gräsern, Blumen, Bäumen und Sträuchern bepflanzt, wie man direkt oberhalb der Bergstation sehen kann. Der Wanderweg führt mitten hindurch durch ein renaturiertes Teilstück und zufrieden blickt der Biologe auf den dichten Bewuchs. Entlang des Weges klicken immer wieder die Kameras, denn kein kleiner Falter, keine Distel oder Vogel bleibt unentdeckt. „Jedes Foto wandert mit einem GPS-Marker versehen in eine internationale Datenbank und dokumentiert die Artenvielfalt“, erklärt Martin, als er mich auf einen kleinen Hauhechelbläuling, einen kleinen Schmetterling, aufmerksam macht.
Fliegender Presslufthammer
Wir wandern gemächlich und Schritt für Schritt offenbart mir Martin unentdeckte Details. „Horch! Hörst du ihn?“, ruft er erfreut über das laute Zwitschern eines Vogels. „Es ist der Zaunkönig. Der kleinste unserer Singvögel, der aber mit dem Schalldruck eines Presslufthammers zwitschert! Und hier zwischen den angehäuften Steinen könnten sich Kreuzottern in der Sonne wärmen.“ Wir erreichen eines der zehn neugestalteten Laichgewässer und der kleine Teich wirkt, als wäre er immer schon hier gewesen. Eingebettet in hoher Schnabelsegge und mit einem Zaun vor Kühen geschützt bietet er einen idealen Lebensraum für Frösche, Molche und Insekten. Mit ansteckender Begeisterung erforscht der Amphibienkenner das seichte Ufer nach Kaulquappen und Molchen und meint: „Beim Bau dieses Teiches habe ich mit der Bepflanzung nur eine Initialzündung gesetzt – jetzt werkelt die Natur selbst und darf sich dabei Zeit nehmen. So wird das Ergebnis natürlich und dem Standort angepasst.“
Mit lebenden Systemen zu arbeiten ist für mich kein Job, sondern eine große Herausforderung. Das System, das den kleinen Molch trägt, trägt nämlich auch dich und mich. Das müssen während des Baus alle verinnerlicht haben – vom Direktor über den Betriebsleiter bis zum Baggerfahrer.
Der Froschflüsterer
Wir lassen den Teich nach einem letzten Blick hinter uns und kehren zurück zur Bergstation, um mit der 3K K-onnection weiter hinauf zum Langwiedboden zu fahren. Der Rundum-Panorama-Blick aus den hochmodernen Gondeln gibt den Blick frei auf zahlreiche weitere Ausgleichs-Gewässer, die Martin Kyek und seine Kollegen Thomas Rücker und Helmut Wittmann im Zuge von diversen Projekten angelegt hat. Von der Bergstation besuchen wir ein etwas verstecktes Laichgewässer und zu unserer Freude finden wir dort nicht nur jede Menge Kaulquappen, Bergmolche und Grasfrösche, sondern im hohen Gras am Ufer des Teichs auch Torf-Mosaikjungfern, die nach dem Leben als Larve im Wasser eben aus ihrer Exuvie schlüpfen und ihr Leben als wunderschöne Libelle starten. Liebevoll und vorsichtig inspiziert und dokumentiert der Wissenschaftler die Tiere. Geduldig hat er auf alle meine Fragen eine Antwort und so erfahre ich, wie er das Froschmännchen vom Froschweibchen unterscheidet. Wie die Bergmolche unter Wasser leben können. Was die Kreuzotter von der Ringelnatter unterscheidet. Warum die Libelle nach dem Schlüpfen nicht gleicht ihre Flügel öffnet und wegfliegt, sondern erst einige Zeit auf Martins Hand „warmlaufen“ muss.
Man merkt, die Amphibien haben es dem erfahrenen Biologen angetan und auch die Tiere scheinen diese Leidenschaft zu spüren und halten bei seiner Inspektion überraschend still. Speziell das Grasfroschmännchen, das Martin vorsichtig in seinen großen Händen hält, scheint fast in dem sicheren Griff zu entspannen. „Es ist schön zu sehen, dass die Tiere hier einen artgerechten Lebensraum finden. Ich komme immer wieder gerne hier herauf, um mich auch nach Abschluss eines Projekts vom nachhaltigen Erfolg zu überzeugen.“ Sachte setzt er den Frosch wieder am Ufer ab und mit einem lauten Platsch hüpft dieser hinein in das für ihn eingerichtete Wohnzimmer am Kitzsteinhorn.